Montag, 15. Juli 2013

Mr. JJ alias Teacher

Ufff! ... mein erster Arbeitstag im neuen Leben war überwältigend. Nachdem mir Julia (schon seit 10 Monaten an der Bert's Bricks) das Gelände gezeigt hatte, stellte sich bei der Lehrerversammlung heraus, dass 6 Lehrer auf Fortbildung sind und fehlen. In der Not muss man logischerweise improvisieren und kurze Zeit später stand alleine ich vor ca. 25 Schülern. Ohne Plan, ohne Infos, ins kalte Wasser geworfen und unter Wasser gehalten! Die zwischen 10-13 Jährigen schauten mich erwartungsvoll an und ich war (milde gesagt) perplex. Noch nie an einer schwarz-afrikanischen Schule gewesen weder wissend wie afrikanischer Unterricht aussieht, improvisierte ich. Nach kurzer Vorstellung meinerseits (Mr. JJ nennen mich die Kids jetzt) fand ich im Heft einer Schülerin Matheaufgaben, die die Kids im letzten Schuljahr gerechnet hatten. Plus und minus Rechnungen mit bis zu dreistelligen Zahlen. Aus der Not heraus erfand ich Aufgaben, schrieb sie an die Tafel und befahl diese zu rechnen. Plötzlich kam Regung in die Klasse. Keine Blätter, keine Stifte und ich mittendrin im ersten Chaos.
Nach langer Suche fand ich in einem der Schränke Unterrichtsmaterial und gab es an die Kinder aus. Die rechneten fleißig und vor allem erstaunlich ruhig und konzentriert drauf los. Nach Kontrolle der Aufgaben (jedes Kind bringt dabei einzeln sein Blatt nach vorne und ich hacke ab oder verbessere - ob das so gang und gäbe ist ... keine Ahnung, woher soll ich das wissen!) brach Chaos #2 aus. Die Kids schnappten sich Brettspiele und spielten drauf los. Ich überfordert und unsicher, ließ sie gewähren und atmete tief auf, als die erste Pause begann.
Des Chaos dritter Teil, welches nach dem Pausenende drohte, wendete ich durch eine wahrhaftige Flut an Aufgaben ab. Zuerst weitere Rechnungen, dann ein suche-Wörter-im-Wörterbuch-Quiz und schon war wieder Pause. Trotz meiner Bemühungen brach nach der 2. Pause das nächste Chaos aus.
Ein Lehrer, laut Julia der Coolste von allen, bat mich das Training des Fußballteams zu übernehmen. Ich übertrug also die Aufsicht meiner Klasse einer Referendarin von der Potchefstroom-Universität, die - auch an ihrem ersten Tag - mit der Situation auf dem gleichen Level überfordert war, wie ihre 5 Uni-Kollegen und meine Wenigkeit. Als Fußball-Coach ließ ich, was sich im Nachhinein als unsinnig herausstellte, das alte und eingespielte Team gegen die neuen Anwärter spielen. Dies endete in einem Blowout (3-0, keine Torchance für das uneingespielte Team) und keiner wirklichen Erkenntnis meinerseits.
Plötzlich war es dann kurz vor 14 Uhr und mein erster Schultag war vorbei. Via Bus ging es die 3 Kilometer zurück zum Kinderheim, wo schon die anderen Volontäre auf ihre Kinder warteten. Study-Time heißt die Zeit, in der die Freiwilligen den Kindern bei den Hausaufgaben und anderen Aktivitäten helfen.
Eingeteilt wurde ich dafür nicht, aber das kann noch passieren oder auch nicht. Darüber mache ich mir an einem anderen Tag Gedanken oder auch nicht, weil nachdem ich diese Zeilen fertig geschrieben habe, gönne ich mir einen Mittagsschlaf und bereite danach - versuche es zumindest via Google - den Unterricht für morgen vor. Dass ich so schnell zum eigenverantwortlichen Lehrer werde, hätte ich nie gedacht. So ging es auch den anderen Deutschen, die ihr Gesicht verloren, als ich ihnen von meinem ersten Tag erzählte.
Ach ja, das Kinderheim-Basketball-Team soll ich ab Donnerstag auch übernehmen ... na dann gute Nacht!


Random-Notes:
- Wetter-Update: nachts ca. -3-5°, mittags ca. 25°
  (OK! Jetzt fühlt es sich nachts echt an wie im mittel-europäischen Winter)

- Essens-Update: obwohl die anderen (wohl weil schon so lange hier) das Essen der Kinderheim-Kantine nicht zu schätzen wissen, genieße ich es nicht selber kochen zu müssen

- "zzzZZZZZzzzzzzzzZZZZZ!"

- Sport-Update: habe im Umfeld zwei Laufstrecken gefunden, die ich regelmäßig versuche zu nutzen

- Schwörmontags-Update: Fuck, Mann! Das nicht zu erleben ist harter Tobak :D


3 Kommentare:

  1. Haha, geile Story Bro! Vielleicht studierst ja, wenn du wieder in Deutschland bist, Lehramt. Und das Basketballteam bringst du noch ganz groß raus glaub ich. Musst halt in Coach Carter Manier durchgreifen!
    Viel Erfolg bei deiner nächsten Unterrichtseinheit!!!

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  2. Grandios! :) Also für den ersten Versuch von Schwellenpädagogik hört sich das schon sehr souverän an (keine Verletzten, geringer Sachschaden, ...)! Jetzt der Tipp vom Praktiker: bastel dir eine Handpuppe, nenne sie H. Oeconomicus und schieb ihr etwaige pädagogische Fehlentscheidungen (Verletzte, Sachschäden, ...) zu! Funktioniert, ich hab's probiert! :)

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